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Stand: 23.04.2008 18:20

 

 

ChaosMagie

 

EINE EINFUEHRUNG IN DIE CHAOS MAGICK

Chaos - die Abwesenheit von Form und Ordnung - verfolgt den westlichen Menschen mehr als alle anderen Worte. Es erfuellt sein Bewusstsein mit Visionen von Meeren, die in Fluesse muenden, von Menschen, die Froesche zur Welt bringen, von Fischen, die durch grasige Wolken fliegen. Es ist das unbenannte Herz jeder Horrorgeschichte - das Unerwartete, das Unvoraussagbare, das Unkontrollierbare, das Gesetzlose - Chaos.

Der westliche Mensch hat von fruehestem Beginn seiner Geschichte an versucht, diesen unbarmherzigsten aller Feinde zu besiegen - Chaos. Er hat nach Worten und Gesten gesucht, um die chaotischen, willkuerlichen Willen seiner fruehesten Goetter zu zaehmen. Er hat das Bild einer allmaechtigen Gottheit erschaffen, die nicht nur Ordnung aus dem Nichts erschuf sondern auch die Essenz des Gesetzes ist. Er hat un- zaehlbare Tyranneien ausgesucht, da er den Verlust seiner eigenen Seele dem Anblick von wild in den Strassen laufenden Hunden vorzog. Er hat die Welt um sich untersucht, in der Hoffnung, unbewegliche Gesetze zu finden. Er hat beinahe den urspruenglichen Zustand seines Planeten zerstoert - diese innersten Prozesse, welche sein Leben ermoeglichen um jede Facette seiner Existenz zu kontrollieren, wobei er oft seine tiefsten Instinkte auf dem Altar des Verlangens nach Stabilitaet opferte. Und wo er Ordnung weder finden noch auferlegen konnte, ersann er Mythen, Dogmen, sponn er philosophische Spekulationen, okkulte Formeln und sterile wissenschaftliche Theorien, und toetete jeden, der es wagte diese Vorstellungen in Frage zu stellen - alles, um den Schrecken zu leugnen, den er spuert, wenn er dem gegenuebersteht, was er nicht verstehen kann.

Von der dunkelsten Vergangenheit bis zu dieser Sekunde ist sein Bild des Weisen das von jemandem gewesen, der um das geheime Gesetz weiss,welches in der scheinbar willkuerlichen Welt um ihn herum versteckt liegt. Seine Vision des Magiers handelte von jemandem, der jenes Gesetz nutzen kann, um das wechselhafte Geschehen des Lebens seinem Willen anzupassen.

Doch, beginnend in den spaeten Sechzigern, und fortgesetzt bis in die Gegenwart, haben Stimmen aus England - dem am wenigsten chaotischen aller Laender, die Heimat ausgefeilter Gaerten, Tees um Vier, und eines Klassensystems, welches den Platz einer jeden Person beim ersten Atemzuge festlegt - Chaos als die einzige Realitaet ausgerufen, die wahre Quelle aller Magick. Zornig, und zuweilen gellend, schreien sie jenen Denunziationen zu, welche die Suche nach der goettlichen Ordnung ausrufen. Sie verehren jenen uralten Feind - Chaos.

Um diese Rebellion zu verstehen, muessen wir zuerst die Traditionen erforschen, die diese ausbrueteten. Da wir in einer Arbeit dieses Um fanges nicht den gesamten Koerper des Okkulten untersuchen koennen, muessen wir uns auf jene Stroemungen begrenzen, welche fuer die Chaos Magick am relevantesten sind.

Lasst uns im mittelalterlichen Europa beginnen. Es war in dieser Periode, dass sich drei Zweige von Okkultismus entwickelten, welche bis zum heutigen Tag den westlichen magischen Gedanken beeinflussen - Wicca, Satanismus, und Zeremonielle Magick.

Von diesen drei ist Satanismus die am Leichtesten zu diskutierende und zu entlassende. Denn wegen des andauernden Interesses der Kirche an diesem Thema ist der Satanismus der am sorgfaeltigsten aufgezeichnete und am besten erforschte der drei Zweige. Seine Grundkonzepte sind auch die einfachsten: Die voellige Umkehrung des christlichen Glaubens. Der Satanist vollfuehrt die Lateinische Messe rueckwaerts, verspottet sie.Er preist Habgier anstatt Barmherzigkeit, Rache anstatt Vergebung. So wie die Christen Christus als einen persoenlichen Erloeser sehen, der ein Leben voller dienender Entsagung mit einer Ewigkeit der Glueckseeligkeit nach dem Tode belohnt, so sehen Satanisten den Teufel - der uebrigens von den Christen mit dem Feind der goettlichen Ordnung identifiziert wird, fleischgewordenes Chaos - als einen persoenlichen Erloeser, der ihn mit irdischer Macht und Reichtuemern belohnt, fuer die Vergewaltigung der Frau des Nachbarn. In beiden Faellen wird das Objekt der Verehrung als ein externer Meister betrachtet, dessen Wille vollfuehrt werden muss. Im Gegensatz zu Wicca und Zeremonieller Magick scheint Satanismus seit dem Tage seiner Geburt wenig geaendert zu haben. Vom Anfang bis heute war sein staerkster Strom ein Aufschrei gegen die unnatuerliche Sexualmoral, die von der Christenheit vertreten wird. Im Mittelalter koennte es eine extreme und eher gefaehrliche Form der Therapie gegen sexuelle Komplexe gewesen sein. In den folgenden Zeiten scheint es ein Vorwand fuer Parties gewesen zu sein, und vielleicht eine Moeglichkeit, je unattraktiver man war, umso mehr Sex-Partner zu bekommen. Sobald die Kirche aufhoerte, seine Verfechter zu verbrennen, wurde der Satanismus zu einer Haltung, um die sozial eher konventionellen zu schockieren. Dies ist heute besonders wahr, wo der Satanismus der Slogan einer Reihe von Rockbands ist - ein Mittel, durch das man die Eltern von pickelgesichtigen Jugendlichen aufbringen, ihre ohnehin ueberaktiven Hormone in Aufwallung bringen, und die Illusion von Substanz zu dem kreischenden Gejaule und dem infernalischen Laerm hinzufuegen kann.

Anders als der Satanismus hat sich die Zeremonielle Magick bis zuletzt nicht als eine Rebellion gegen die Christenheit praesentiert.Tatsache ist, dass Zeremonialisten darauf bedacht waren, jegliches zu vermeiden, was die Kirche als heretisch betrachten wuerde. Oft waren es fromme Menschen, die fuehlten, dass sie die tieferen Mysterien des christlichen Glaubens erforschten. In seinen Ritualen invozierte er den Schutz der Goetter der Juden und der Christen und die Hilfe der Erzengel und Engel des juedisch-christlichen Pantheons. Wenn er Daemonen zu evozieren hatte, so tat er dies im Namen des Vaters, und er rief nur jene Teufel an, welche sein Gott der Menschheit zu Diensten gemacht hatte. Er wurde nie von der Kirche verfolgt. Es gibt ein starkes Klassen- und Geschlechts-Vorurteil innerhalb der Zeremoniellen Magick - seine Praktikanten waren traditionellerweise aus der Aristokratie. Diese Voreingenommenheit durchdrang das gesamte Feld. Ihre Rituale richteten sich an maennliche Wesen; sie waren lang, durchfuehrbar nur fuer jene mit ausgedehnter Freizeit; sie waren oft in Griechisch und Latein und beinhalteten Wissen um Geometrie und Mathematik, alles Kennzeichen der gebildeten Klasse; und sie erforderten verschwenderische Roben und Hilfsmittel, welche sich nur die Reichen leisten konnten. Der groesste Indikator seines Klassenvorurteils war seine seltam wissenschaftliche Orientierung. Wie ein Wissenschaftler, glaubte der Zeremonialist, dass der gewuenschte Effekt nur erlangt werden konnte, wenn die passenden Hilfsmittel beim passenden Vorgehen verwendet wuerden - jegliche Abweichung brachte sicheres Versagen. Wie der Wissenschaftler - was er uebrigens oft auch war - suchte der Zeremonialist das Wissen. Da er kaum materielle Not hatte, suchte er oft die Geheimnisse des sichtbaren und unsichtbaren Universums nur um des Wissens Willen. Obwohl der Zeremonialist meistens alleine arbeitete, lernte er gewoehnlich seine Kunst in einer Loge - er bewegte sich durch die Raenge nach oben, die geheimen Lehren seiner eigenen Station bewachend, waehrend er sklavenhaft seinen Vorgesetzten gehorchte, in Hoffnung auf moegliches Vorwaertskommen. Die hierarchische Struktur der Loge lag parallel zur Sichtweise des Zeremonialisten vom Universum, jeder Rang repraesentierte eine klar definierte Ebene, welche er genauestens untersucht und gemeistert hatte.

Obwohl viel von dieser Voreingenommenheit erhalten blieb - die Logen, die teure Ausruestung, die hierarchische Sicht des Universums - hat sich, anders als der Satanismus, die Zeremonielle Magick entwickelt und veraendert. Die Agenten dieser Veraenderung waren der Hermetic Order of the Golden Dawn und sein bekanntestes Mitglied Aleister Crowley. Die erste Veraenderung lag in den Wesen, die angesprochen wurden. Waehrend die juedisch-christlichen Hausherren erhalten blieben, wandte sich der Golden Dawn auch an den Aegyptischen und Griechisch-Roemischen Pantheon, wobei sie sich oft in Roben und Schmuck kleideten, welcher die angerufene Gottheit suggerierten. Nachdem Crowley alleine fortschritt, setzte er die Anrufungen der alten Goetter fort. Weiters leugnete er die Existenz einer allmaechtigen Gottheit an der Spitze der universellen Hierarchie. Er verkuendete, das Ziel des Magiers sei es, "das Erlangen der Kenntnis von und Konversation mit dem Heiligen Schutzengel", die Erfuellung seines wahren Willens, und die Erkenntnis seiner eigenen Goettlichkeit. Obwohl einige Magier von der Arbeit von Carl Jung beeinflusst waren, der alle Goetter als archetypische Bilder, projeziert vom kollektiven Unterbewusstsein, betrachtete, und von oestlichen Philosophien, welche wir spaeter streifen werden, begannen andere eine mehr psychologisch orientierte Annaeherung an ihr Werk. Es gibt kaum Zweifel, dass Crowley glaubte, dass der Heilige Schutzengel ein Wesen ausserhalb seiner selbst sei, eines einer Anzahl von Intelligenzen, welche von einer anderen Dimension der Existenz aus operierten. Fuer Crowley bedeutete die Erkenntnis um des Magiers Goettlichkeit nicht die Absorbtion im Absolutum, es bedeutete die Erfuellung seiner individuellen Linie der Entwicklung. Unermuedlich arbeitete Crowley - er schrieb neue Rituale in Englisch, gruendete den Argentum Astrum und restrukturierte den Ordo Templi Orientalis, adaptierte orientalische Konzepte, synthetisierte die verschiedenen magischen Traditionen - Griechisch, Aegyptisch, Hermetisch, Kabbalistisch, Maurerisch - in einem neuen System, das er in endlosen Buechern publizierte. Abgesehen davon, dass er Magick zurueck ins Blickfeld er Oeffentlichkeit brachte, war Crowley's groesster Beitrag seine offene Anerkennung der wahren Quelle magischer Macht - die sexuelle Energie. Da er nun offen das Geheimnis verkuendet hatte,schwelgte er in der Flut von Dokumenten, die nun folgte - er bekannte seinen Gebrauch von Drogen und orgiastische Hingabe, welche den Eintritt in veraenderte Bewusstseinszustaende erleichterten, er trat fuer Thelema ein, eine Philosophie der absoluten persoenlichen Freiheit (oder Zuegellosigkeit, wie seine Kritiker ankreiden), und stylte sich als "Das Tier 666", Crowley verliess seinen Weg, um zu schocken. Und indem er dies tat, oeffnete er sich selbst fuer unnoetige Missverstaendnisse, und wurde vielerorts als Schwarzer Praktikant gebrandmarkt. Trotz seines boesen Rufes, und trotz der Existenz von traditionelleren judeochristlich orientierten Ideen - hauptsaechlich jene von Dion Fortune und Israel Regardie, beide Kabbalisten -, wird Crowley weithin als der Springbrunnen betrachtet, von welchem alle moderne Zeremonielle Magick fliesst.

Ueber Wicca, den dritten Zweig, ist es wahrscheinlich am schwersten zu schreiben. Ohne den mittelalterlichen Verfolgern, welche es mit Satanismus assoziierten, den Werken von Margaret Murray, die sich die Religion des praehistorischen Menschen vorstellt, und den grossteils selbstverherrlichenden "Traditionen" seiner modernen Anhaengerschaft ungebuehrenden Glauben zu schenken, kann man fast nichts ueber seine Vergangenheit sagen. Wie dem auch sei, ein paar Dinge scheinen allzu offensichtlich - von denen das wichtigste ist, dass der Wiccan in jeder Weise im Kontrast zum Zeremonialmagier stand. Zuerst und hauptsaechlich praktizierte der Wiccan eine zum Christentum entgegengesetzte Religion, zweifellos eine Fortsetzung von altertuemlichen lokalen Glauben, obwohl es schwer ist, mit Sicherheit zu sagen, was dieser Glaube ueberhaupt war. Es geschah wegen ihrer Ablehnung von Christus, warum Wiccans von der Kirche getoetet wurden. In einem Zeitalter, da Kirche und Staat eins waren, wurde religioese Toleranz als Torweg zur Anarchie betrachtet .

Wo der mittelalterliche Zeremonialist ein aristokratischer Mann der Stadt war, war der Wiccan immer ein Landbewohner und sehr haeufig eine Frau. Wo der Zeremonialist alleine praktizierte, komplizierte Rituale in Latein und Griechisch auffuehrte, Engel und Daemonen rief, ihn die Mysterien des Universums zu lehren, feierte der Wiccan gemeinhin das Phaenomen der wechselnden Jahreszeiten, einfache Reime singend, um sich eine bessere Ernte zu sichern, oder einen Lebensgefaehrten. Der Zeremonialist praktizierte die mystische "Kunst", der Wiccan praktizierte das "Handwerk". Viele dieser Unterschiede setzen sich bis heute fort. Der moderne Wiccan arbeitet immer noch in einem Coven, und obwohl er in einem staedischen Appartment wohnen und von Landwirtschaft keine Kenntnis haben mag, feiert er immer noch den Wechsel der Jahreszeiten, in Reimen singend, was auch immer er braucht. Wo das moderne Wicca sich von seinen mittelalterlichen Wurzeln unterscheidet, ist schwer zu sagen ererbte Hexen, Abkoemmlinge von Wiccans, welche die "Verbrennungs-Zeiten" ueberlebten, tun furchtbar geheim um den Glauben und die Praktiken, welche sie von ihren Vorfahren erbten. Selbst, wenn sie es nicht waeren, waere es unmoeglich zu sagen, wie weit die urspruenglichen Ideen verzerrt, ergaenzt, oder vermindert wurden, als sie von Generation von Generation weitergegeben wurden. Deshalb ist es ebenso unmoeglich zu sagen, wieviel Gerald Gardner - der Vater des modernen Wicca - aus der Vergangenheit erhielt, und wie viel, trotz seiner gegenteiligen Beteuerungen, er tatsaechlich erschuf. Wie auch immer der Fall liegen mag, so wie das meiste der modernen Zeremoniellen Magick von Crowley ausgeht, stammt das moderne Wicca von Gardner. Obwohl es vor landwirtschaftlichem Symbolismus in Gardners Ritualen, und als Folge in denen der meisten modernen Wiccans, nur so wimmelt, erscheint vieles davon doch sehr wie die gereimte und vereinfachte Version von Zeremonialistischen Riten, deren wahre Urheberschaft Geruechte bei Gardners gutem Freund, Aleister Crowley sehen. Wie auch immer, im Gegensatz zum Zeremonialismus, macht das moderne Wicca sein unbarmherziger Feminismus aus. Wiccans verehren eine zwiefache Gottheit - einen Gott, oft mit der Sonne, Mars, Pan oder Horus identifiziert, und eine Goettin, oft mit dem Mond, der Erde, Venus oder Isis identifiziert. In allen Erscheinungen wird die Goettin als dominant betrachtet. Sie schenkt dem Gott die Geburt, welcher gleichwohl Sohn und Gemahl ist. Sie wird als ewig erachtet, waehrend der Gott fort waehrenden Tod und Wiedergeburt erleidet, symbolisiert durch den Fort- gang der Jahreszeiten. Die Phasen der Mondgoettin - zunehmend, voll und abnehmend - werden mit den drei Phasen des sexuellen Lebenskreis der Frau identifiziert - Maedchen, Mutter, altes Weib. Die Grundideen werden auf vielfaeltige Art ausgearbeitet. Frauen werden immer fuer weiser gehalten, psychisch kraftvoller, und spirituell entwickelter als der Mann, waehrend die Wicca-Rituale von einem Priester und einer Priesterin durchgefuehrt werden, so ist die Priesterin immer die absolute Authoritaet. Der Priester ist immer ihr Diener. Ein in Psychologie versierter Beobachter koennte in Wicca-Ritualen eine subtile Form von weiblichem Sadismus und maennlichem Masochismus erkennen. Viele Wiccans vertreten das Matriarchat - ein soziales System in welchem die Frauen die letzendliche politische Macht halten. Anders als die Zeremonialisten, der dazu tendiert, seine Rituale entsprechend kniffliger astrologischer Berechnungen ausrichtet, vollfuehrt die Wiccan ihre Magick nach den Phasen des Mondes - Werke der Ausdehnung werden zur Zeit des Neumondes begonnen, und kulminieren waehrend des Vollmondes; Werke der Einschraenkung werden umgekehrt begangen. Da sie die Erde mit der Goettin identifizieren, und versuchen, mit ihren agrikulturellen Wurzeln in Verbindung zu bleiben, ist der moderne Wiccan stark an Oekologie interessiert. Wicca ist heute hoechst imagebewusst, seine beliebte Vereinigung mit Fluechen und Orgien herabzuspielen. Es wird viel Arbeit fuer die psychische Heilung geleistet. Sein Feminismus und Sorge um die oeffentliche Meinung geben ihm eine einzigartige Haltung gegenueber Sex - auf der anderen Seite zwingen ihn seine angebliche Abstammung von Alten Fruchtbarkeitskulten und sein feministischer Fokus auf die weibliche Sexualitaet den Sex als Quelle magickscher Macht anzuerkennen, auf der anderen Seite macht ihn die Ruecksicht auf den Anschein zu einem Monogamie-Champion. Der perfekte Coven beinhaltet liebende, tief verbundene Paare. Keine Crowleyitischen Orgien, bitte. Im Hinblick auf den Gott und die Goettin, sind sich die meisten Wiccans unklar darueber, ob man sie als maennliche und weibliche Aspekte einer einzigen Gottheit auffassen soll, oder als zwei getrennte Wesen. Obwohl das Wiccan Grace eine Zeile enthaelt, welche besagt, dass die Goettin in einem selbst zu finden sei, behandeln sie die meisten Wiccans als ein aeusseres Dasein. Angefangen mit Alex Sanders, haben viele mit dem Gardnerianismus gebrochen, und endlose Ableger gebildet, von denen beinahe alle das Hervorheben des Feminismus beibehalten haben. Modernes Wicca koennte die Religion des Women's Liberation Movement genannt werden .

Die drei Stroeme des westlichen Okkultismus, oben beschrieben, kann man als die Orthodoxie bezeichnen - von welcher Chaos Magick abstammt und gegen welche sie rebelliert. Bevor wir die Chaos Magick vollstaendiger erforschen koennen, muessen wir kurz unterbrechen, um vier andere Trends zu untersuchen, welche sie tief beeinflussten: Jungianismus, Parapsychologie, Physik, und Oestliche Philosophie. Ueber Carl Jung's Werk muessen wir wenig sagen, ausser d dass seine Theorie der Archetypen - universelle Bilder, die die menschlichen Erfahrungen und die Aspekte des menschlichen Mind symbolisieren - definitiv die Chaos Magicksche Betrachtung aller Goetter festgelegt hat. Obwohl die meisten Chaos Praktiker die Wissenschaft als bloss ein weiteres System betrachten moechten, koennen sie sich nicht dabei helfen, von apsychologischer Forschung beeinflusst zu sein, welche nahelegt, dass psychische Faehigkeit eine Funktion des menschlichen Mind sein koennte - was die Ahnung von der Magickschen Macht ohne geisterhafte Unterstuetzung moeglich macht. Die Quantenphysik mit ihren indeterminierten und oft theoretischen Partikeln muss in seinem Herzen eine warme Ecke finden. Doch Oestliche Philosophie ist seine groesste Quelle, und wir koennen seine spezielle Definition des Chaos - die Ecksteine seiner Vorstellungen - nicht verstehen, ohne asiatische Gedanken zu verstehen. Wie auch immer die Unterschiedlichkeiten in Terminologie und praktischer Annaeherung sein moegen, die drei grossen Stroemungen der Oestlichen Philosophie - Hinduismus, Buddhismus und Taoismus - vereinigen sich darin, zu verkuenden, dass das Universum ein grosses, sich bestaendig veraendertes Ganzes ist, jenseits aller Konzepte, Kategorien und Definitionen. Der Hindu nennt es Brahman, und seine Goetter sind, wie die theoretischen Partikel in der Quantenphysik, blosse Symbole seiner kosmologischen Aspekte. Fuer den Buddhisten ist es die Leere - dieses jenseits aller Namensgebung und Beschreibung - und sein Pantheon von Buddhas und Bodhisattvas ist, wie Jungs Archetypen, Symbol der psychologischen Zustaende. Der Taoist nennt es schlicht das Tao, den Weg. Desweiteren stimmen sie darin ueberein, dass die innere Natur des Menschen - welche der Hindu "Atman", der Buddhist " keine Seele", und der Taoist "Nicht-Selbst" nennt - identisch mit der des Universums ist. In allen drei Religionen wird es als Erleuchtung betrachtet, diese beiden Dinge existentiell zu kennen - die Befreiung von Ansichten und Meinungen, welche nur Falschheit, Fessel und Illusion sind. Hier liegt der Unterschied zwischen dem Traditionellen und dem Chaos Praktiker in der Definition jenes furchtbaren Wortes - Chaos. Fuer den Chaos Praktiker ist das Chaos nicht die Abwesenheit von Ordnung, sondern - um Henry Miller wiederzugeben - eine Ordnung jenseits des Verstehens. Das geht analog zu des Hindu's Brahman, des Buddhisten Leere, des Taoisten Tao, und des Alten Angelsachsen Wyrd. Es veraendert sich staendig es kann wahrgenommen werden, doch es liegt jenseits intellektueller Kategorisierung. Ordnung ist im besten Falle der Aspekt von einer unbeschreiblichen Realitaet, welche unsere sensorische Ausstattung uns erlaubt, wahrzunehmen - die Biene sieht eine Blume anders als ein enschliches Wesen. Im schlimmsten Falle ist die Ordnung illusionaeres Modell, von unseren Voreingenommenheiten projeziert. Auf Albert Einsteins Behauptung, dass Gott nicht Wuerfel mit dem Universum spiele, koennte der Chaos Praktiker antworten, dass das Universum Gott ist - wenn er so ein emotionsgeladenes Wort benutzen muss -, und dass Er das einzige Ding ist mit dem Er spielen kann. Da er glaubt, dass Realitaet letztendlich unbeschreibbar ist, entsagt er allen Dogmen, nimmt seine Ideen und Praktiken von ueberall, kombiniert sie, wie es zur Situation passt, und laesst sie fallen, wenn sie nicht mehr anwendbar sind. In einem unkennbaren Universum hat kein Glaube Gueltigkeit - dennoch ist jeder Glaube gueltig, so lange der Glaeubige ihn als ein Hilfsmittel, eine notwendige Illusion betrachtet, und so lange er weiterhin fuer ihn arbeitet.

Das vollstaendige Modell der Chaos Magick kann sofort durch einen fluechtigen Blick auf die Gedanken jenes Mannes gesehen werden, den ihre Praktikanten als ihren Vater erachten - Austin Osman Spare. Frueher Mitglied des Golden Dawn und ein Gefaehrte von Crowley, bis Meinungsverschiedenheiten ihre Beziehung erschwerten, verurteilte Spare ohne Ende die Religion, Wissenschaft, und Zeremonielle Magick. Seine Attacken auf alle drei begruendeten sich auf derselben Praemisse: In einem Universum, dass jeder Beschreibung trotzt, koennen alle Systeme des Glaubens nur falsch sein. Da der Mensch Teil des Universums ist, und damit bereits Gott, sind alles, was die Religion ihm bieten kann, falsche Idole, die ihn davon abhalten, seine eigene Goettlichkeit zu spueren. Von Anfang an sah Spare, dass Wissenschaft selbst auch eine Form von Religion ist, ein Versuch das Unbenennbare zu benennen, ein System von Kategorien, das alles von sich weist, was es nicht enthalten kann. Zeremonielle Magick betrachtete er als eine zu komplizierte Zeit- verschwendung - von habgierigen Scharlatanen fuer die Leichtglaeubigen vollfuehrt -, die den Menschen davon abhaelt, seine wahre Quelle der Macht zu entdecken, welche innerhalb seiner selbst liegt. Spare predigte die Einfachheit in jeglicher magickscher Arbeit, und er betrachtete das Erschaffen von und die Meditation ueber Sigillen als die ultimative Magick, statt Gebet und Ritual - ein persoenliches Design stilisierter Buchstaben, welche einen Wunsch ausdruecken und ihn dennoch vor dem Bewusstsein verbergen. Sigillen sind traditionell das Design magickscher Talismane gewesen, doch Spare erklaerte, dass ihre Macht eigentlich nicht in den Linien und Figuren ihrer Ausfuehrung lag - ihre Macht kam von ihrem Effekt auf die tiefsten Schichten des Unbewussten. Daher musste man sein eigenes Design erschaffen, welches einfach genug sein musste, um einfach visualisiert zu werden, und komplex genug fuer das Bewusstsein, seine urspruengliche Bedeutung zu vergessen. In seinem Werk ueber Sigillisierung sehen wir den oestlichen Einfluss auf Spares Vorstellungen. Obwohl die Sigille unter dem Einfluss eines verzweifelten Verlangens hergestellt, und waehrend die Idee fortdauert visualisiert und darueber meditiert werden muss, kann sie keinen magischen Effekt haben, bis man nicht das Verlangen erschoepft, die Bedeutung der Sigille vergessen hat, und voellig indifferent gegenueber dem Wunsch und dem Symbol, das ihn repraesentiert geworden ist. Fuer Spare bedeutete Meditation, die Sigille vor dem inneren Auge zu halten, bis sie schrittweise alle anderen Gedanken ausschloss, und dann aus dem Bewusstsein glitt, das Mind leer zuruecklassend - das polare Gegenstueck dazu, seinen Mind auf ein Symbol zu fixieren, seine Bedeutung abzuwaegen, alle anderen Vorstellungen abzuwehren, und seinen gesamten konzentrierten Willen auf seine Verwirklichung zu fokussieren. Jeder mit einem selbst oberflaechlichen Wissen um das hinduistische oder buddhistische Tantra wird dies als die Praxis des Tantrikers wieder- erkennen, welcher identische Visualisierungen von Yantras vornimmt - geometrische Designs, die kosmische und psychologische Kraefte repraesentieren, Yantras sind die Grundmodelle hinter Mandalas -, und die Erfuellung eines Wunsches als einen Schritt in Richtung der Freiheit von allen Wuenschen ansieht. Als waere das nicht genug, Spare's Konzept des Universum erscheint wie neu formulierte asiatische Vorstellungen. Das Absolute nannte er Kia - ein Wort, das in keiner westlichen Sprache eine Bedeutung hat und dem japanischen Wort "ki" aehnelt, welches den lebendigen Atem hinter allem Leben bezeichnet. Beachte, wie nahe Spare's Worte denen von Lao Tzu kommen. Spare: "Eines Namens bedarf es nicht, es zu bezeichnen, nenne ich es Kia...das Kia, welches sich in begreiflichen Ideen ausdrueckt, ist nicht das ewige Kia." Lao Tzu: " Das Tao, welches gesprochen werden kann, ist nicht das Tao...Es selbst hat keinen Namen...in Ermangelung eines besseren Wortes nenne ich es "Das Tao"". Das Kia - welches genauso gut Chaos genannt werden koennte - liegt jenseits der Beschreibung, ein vollstaendiges Ganzes, ohne teilbare Teile, eine unfassbare Null. Dennoch manifestiert es sich in offensichtlichen Dualitaeten - maennlich und weiblich, Licht und Dunkelheit, Geburt und Tod. In Spare's Formel, kommt zwei aus dem Nichts. Doch die Pole jeder Dualitaet sind sich selbst gegenueber nicht absolut; jeder ist wie ein Arm, verbunden durch einen Rumpf, welcher in diesem Falle nicht beschrieben werden kann. Die Dualitaeten steigen immer gemeinsam auf. Freude kommt mit Pein zum Vorschein, Glaube mit Zweifel. Daher kann das Mind Konflikt und Widerspruch nicht vermeiden. Spare's Loesung ist, nicht zwischen opponierenden Draengen zu waehlen, sondern sie simultan zu beobachten - ein Geisteszustand, der sich zum Beispiel auf Sonnen- auf- und -untergang fixiert, Daemmerungsstunden, welche weder Tag noch Nacht sind. "Weder-Noch" [engl. "Neither-Neither",a.d.Ue.] erinnert einen sofort an das hinduistische "Neti-Neti", nicht dies/nicht das, Nargajuna's dialektische Negation, worin nichts als existent oder nicht existent bezeichnet werden kann, das Nichtwaehlen des taoistischen Hermiten, und das nichtausschliessende Bewusstsein des Zen-Meisters. Er besteht ebenso darauf, dass das Ego sich in einem Zustand der Selbst-Liebe befindet - welche nicht mit Narzismus verwechselt werden sollte -, ein Zustand, in dem es gluecklich in der Freude an seiner eigenen Existenz absorbiert ist, und es nicht noetig hat sich fortwaehrend durch Eroberungen und Bereicherungen zu vergroessern. Wie die Upanishaden sagen: "Lass das Selbst seine Ruhestatt in sich Selbst finden."Zu Lebzeiten erhielt Spare - ein brillianter Kuenstler, der eine Serie von herausragenden automatischen Zeichnungen fertigte - niemals die Aufmerksamkeit, welche seinem frueheren Gefaehrten Crowley zuteil wurde. Das wenige an Beachtung, das ihm zukam, war ueberwiegend schlecht. Kunstkritiker hassten seine Arbeit, und viele Okkultisten, einschliesslich Crowley, betrachteten ihn als Schwarzmagier. Seinen Ideen,- welche er in kurzen Buechern mitteilte, welche in einem munteren, denunzierenden, rhetorischen Stil geschrieben waren, in Erinnerung an "Also sprach Zarathustra" - sind nur zuletzt jene Ueber legungen zuteil geworden, die sie verdienen. Vielleicht ist es das hoechste Kompliment an einen Mann, der die Doktrin hasste, dass jene, die fuer die Wiederentdeckung seiner Arbeit verantwortlich sind, ihn nicht als absolute Authoritaet begreifen. Waehrend Ray Sherwin, Julian Wilde, und "The Circle of Chaos" Spare's Werk loben moegen, erachten sie ihn doch als einen Ausgangspunkt, einen Einfluss auf die Vorlaeufer ihrer eigenen Bestrebungen. Anders als die Anhaenger Crowleys, haben sie Spare nicht zu einem Goldenen Trumph gemacht. Spare's Schueler - wie sie diesen Ausdruck auch hassen moegen - unterscheiden sich von ihm, wie sie sich auch untereinander unterscheiden. Der Hauptunterschied ist, dass Spare's Nachfolger das Ritual zwar kritisieren, es aber nicht von der Hand weisen. Bevor wir zu einer Punkt-fuer-Punkt Untersuchung kommen, inwiefern sich Chaos Magick von konventionellem Okkultismus unterscheidet, waere ein kurzer Ueberblick ueber die Praktiker hilfreich, die in Amerika bekannt wurden. Vom "Circle of Chaos" koennen wir wenig sagen. Sie sind eine eklektische Ansammlung diverser Okkultisten, welche Mitte der Sechziger zusammenkamen - teilweise in Reaktion auf das steigende Sektierertum und die Kommerzialisierung innerhalb der okkulten Welt. Sie haben einen Satz von Ritualen erschaffen, die verschiedene Straenge der Traditionen ihrer unterschiedlichen Mitglieder verwoben. Bis jetzt haben sie nur ein Buch veroeffentlicht, "The Rites of Chaos", urheberrechtlich geschuetzt unter dem Namen "Paula Pagani". Es ist eine Sammlung von jahreszeitlichen Ritualen, gereimte Zelebrierungen der traditionellen Wiccan Feiertage. Urspruenglich als "Circle of the Wyrd" bekannt, ist der "Circle of Chaos" im Stil hauptsaechlich Wiccan, wenn nicht sogar vollstaendig in der Substanz. Dasselbe kann, im wahrsten Sinne, nicht von Julian Wilde gesagt werden. Er betrachtet sich selbst als schamanistisch-tantrischen Wiccan, und ist als Ganzes genauso eklektisch, wie diese Bezeichnung impliziert. Nach eigenen Angaben hat er Wicca, Kabalah, Schamanismus, Zen und Tebetischen Tantrischen Buddhismus studiert, Sex, Drugs & Rock'n'Roll als Hilfsmittel benutzt, um Trance zu erlangen, und ist durch die Schriften von Carlos Castaneda und Michael Moorcock beeinflusst worden. Sein "Grimoire der Chaos Magick" - ein Fragment seines persoenlichen Book of Shadows, welches er als eine Sammlung von Vorschlaegen fuer gleichgesinnte Seelen veroeffentlicht hat - ist ein duennes, doch aussergewoehnliches Buch. Sein Schreibstil ist noch wilder und denunziatorischer, als der von Spare. Seine Invokationen sind freie Verse, voll von schlagenden Bildern, uebermittelt in einer barbarischen, und dennoch majestaetischen Sprache - zwischen den Zeilen erhascht man einen Menschen, der beinahe jede Art von persoenlicher Katastrophe ueberlebt hat. Wie um seine Aufrichtigkeit zu beweisen, was seine Bindung an den Eklektizismus betrifft, enthaelt sein Buch sowohl eine bittere Attacke als auch ein Ritual von - Aleister Crowley. Wilde ist der Gruender der Church of Ka'atas, eine Existenz, die nicht im juristischen Sinne des Wortes existiert, sondern nur ein Name fuer jene ist, die mehr oder weniger seine Ansichten teilen. Er ist wahrlich, wie er sich selbst beschreibt, ein Chaos Krieger. Ray Sherwin ist vielleicht der konventionellste aller Chaos Praktiker. Als Mitglied des I.O.T. - eine englische Loge, die aus dem O.T.O. hervorging - ist er ein Zeremonialmagier. Anders als bei Spare und Wilde sind seine Buecher in einem ruhigen, analytischen Stil geschrieben, wobei sie systematisch Punkte der praktischen Angelegenheiten des Magiers erschliessen. Ein Punkt, der es wert ist, bemerkt zu werden, ist, dass der I.O.T. - im Gegensatz zu anderen Chaos Praktikern - Chaos als einen Endpunkt einer Dualitaet begreift, wobei das andere Ende Kosmos/Ordnung ist. Sherwin scheint dem nicht vollstaendig zuzustimmen, doch er widerlegt es nicht voellig, indem er eine Vielleicht/Vielleicht auch nicht-Haltung einnimmt. Nachdem wir einen allgemeinen Ueberblick ueber die Chaos Magick erhalten haben, werden wir jetzt Punkt fuer Punkt betrachten, wie ihre Praktiker sich vom orthodoxen Okkultismus und auch untereinander unterscheiden. Ungluecklicherweise muessen wir diese Eroerterung auf die Sichtweisen von Spare, Wilde, und Sherwin begrenzen, da der "Circle of Chaos" nur seine Jahreszeitenrituale veroeffentlicht hat. Die Quelle der Macht: Was der Magier als die Quelle seiner Macht erachtet, bestimmt den Rest seiner Praxis. Offensichtlich glaubt der Satanist, dass seine Macht ein Geschenk seines Meisters, des Teufels, ist. Der Zeremonialistglaubt, dass seine Macht, ueber eine Reihe von astralen Wesen, letztendlich vom Herren der Heerscharen, dem hoechsten Gott, kommt - ein Crowleyaner wuerde sagen, dass nur die Astralwesen existieren und Macht geben. Und der Wiccan plaziert sein Vertrauen in die Goettin, den Gott, und die Elemente. Doch jeder der Chaos Praktiker stimmten darin ueberein, dass noch unentdeckte Energien innerhalb des menschlichen Unterbewusstseins die wahre Quelle der Magick seinen. Sie teilen diese Ansicht mit der oestlichen Philosophie, der Parapsychologie, und so modernen Theoretikern der Magick, wie Isaac Bonewitz. Vorbereitende Uebungen: Die meisten magischen Traditionen enthalten einen Rumpf von Uebungen, dazu ausgelegt, den Novizen gegenueber den magischen Einfluessen zu oeffnen, was beherrscht werden muss, bevor es ihm erlaubt ist, zu ritueller Arbeit fortzuschreiten. Ohne Zweifel erachtet der moderne Satanist ein paar Orgien und ein paar Hundert Pfund des staerksten Grases, das er kaufen kann, als ausreichend. Sowohl der moderne Wiccan und Zeremonialist konzentriert sich auf Astralprojektion und auf Visualisation - normalerweise der Tattwas und der Grossen Arkane des Tarot. Spare, auf der anderen Seite, legt alle Betonung auf die Todesstellung - in welcher man seinen Koerper total entspannt, und man seinen Mind so leer wie moeglich, fuer so lange wie moeglich, eine nuetzliche Praxis, um den Weder/Noch-Zustand des Mind zu foerdern. Und Wilde hat ein voellig neues Set von Uebungen erschaffen. Die interessanteste von ihnen ist eine Meditation, die auf tibetanischem Tantra basiert, und in der man seinen Koerper visualisiert, wie er komplett zusammenschmilzt, und sich dann aus dem Nichts wieder aufbaut, und eine andere Meditation, in der man die Chakras visualisiert - psychische Zentren, welche uebereinander am Rueckgrat angeordnet sind, ein yogisches Konzept - , als seien sie moderne Raeume, durch eine Spiraltreppe miteinander verbunden. Wilde sagt, ehrlich in der Art, dass man nicht an die buchstaebliche Existenz der Chakras glauben muss. Der bemerkenswerte Aspekt all dieser Uebungen ist, dass sie versuchen, den Praktiker in Verbindung mit seinem tieferen Selbst zu bringen - nicht mit aeusseren Wesen und Ebenen. Divination: Normalerweise ist der naechste Schritt im Training des Novizen das Erlernen verschiedener Methoden zum Voraussagen kommender Ereignisse. Wiccans tendieren dazu, sich auf den magischen Spiegel zu konzentrieren, die Kristallkugel und gelegentlich auf das Lesen der Dinge aus Teeblaettern und aehnlichem. Sowohl Zeremonialisten als auch Wiccans legen grosses Gewicht auf das Tarot. In den letzten Jahren haben das I Ching und die Runen an Popularitaet gewonnen, und an manchen Orten erlebt das Ouija-Bord ein Revival. Mittelalterliche Okkultisten glaubten, dass die divinatorischen Methoden Kanaele seinen,durch welche die Goetter, Halb-Engel und Geister mit dem Menschen kommunizieren. Selbst Crowley glaubte, dass ihre Operationen von astralen Intelligenzen abhingen. Obwohl es immer noch jene gibt, die an den aelteren Sichtweisen festhalten, betrachten die meisten modernen Praktiker divinatorische Mittel als Hilfsmittel, um das Bewusstsein zu konzentrieren, und dem Unterbewussten zu erlauben, sein Wissen um die Zukunft zu praesentieren. Alle Chaos Praktiker stimmen mit der modernen Sichtweise ueberein. Wilde fuehrt es einen Schritt weiter, indem er vorschlaegt, dass Handlesen und Astrologie, welche von den meisten Okkultisten als objektive "Wissenschaften" betrachtet werden, auch Fokussierungs-Mittel seien. Fuer Wilde - der seine eigene Version der Grossen Arkane des Tarot fuer seinen privaten Gebrauch entworfen hat - haben die Anordnung der Planeten auf einem Horoskop oder die Linien in einer Handflaeche wahrscheinlich keine andere Bedeutung, als, was sie den psychischen Faehigkeiten des Interpreten nahelegen. Initiation: In allen okkulten Traditionen, sowohl im Westen als auch im Osten, wird die Initiation als der Tod des alten Wesens, und gleich- zeitig als die Geburt der magischen Person betrachtet. Normalerweise ist es so, dass auf den Initianten waehrend der Zeremonie magische Macht uebertragen wird - entweder durch ein unkoerperliches Wesen, oder, in den oestlichen Traditionen, durch den Lehrer -. Chaos Praktiker haben eine komplexere Sichtweise des Vorganges. Fuer Spare bedeutete Initiation eine Farce, wie jede andere Zeremonie auch. Sherwin und Wilde stimmten ueberein, dass die Initiation selbst nicht mehr bedeutet, als die Akzeptanz in einer bestimmten Gruppe von Praktikern. Wilde nimmt die schamanistische Sichtweise ein, dass wirkliche Initiation ein Produkt einer ernsten persoenlichen Krise ist gefangen in einer Situation, aus der es kein normales Vorwaerts-kommen, kein Entkommen gibt, das Individuum ruft spontan zuvor unvermutete Kraefte aus seinem Unterbewussten herauf. Waehrend er mit Wilde's Blickweise uebereinstimmt, glaubt Sherwin, dass es in der Verantwortung der initiierenden Gruppe liegt, eine kontrollierte Krise im Initianten kuenstlich zu produzieren - eine Praxis, die von den alter tuemlichen Mysterienschulen von Aegypten, Griechenland und Rom verwendet wurde, und von maurerischen Orden. Ritual und Zeremonie: Traditionelle Praktiker der Magick sahen das Ritual als eine Darbietung, die den Goettern so sehr gefiel, dass sie der Anfrage des Ausfuehrenden nachkamen, wie um den kosmischen Kreislauf zugunsten eines bestimmten Zieles neuzuwinden. Jedes Detail der Zeremonie zu erreichen wurde immer als von aeusserster Wichtigkeit betrachtet, was den Erfolg der Operation betraf - ein Fehler bedeutete Versagen. Wie auch immer, modernes Wicca legt nahe, dass die Absicht die Effektivitaet eines Ritus mehr bestimmt, als die Perfektion seiner Form. Chaos Magick stimmt mit modernem Wicca ueberein - und geht wiederum ein paar Schritte weiter. Beide, Wilde und Sherwin, betrachten das Ritual als eine Form von Theater, darauf aus, die Emotionen des Ausfuehrenden zu seltener Hoehe zu steigern, um sie dann nach Aussen zu entladen - eine Katharsis, die den Magier entleert von Besessenheit zuruecklaesst, und seinen Mind in Spare's abgesonderten "Weder/Noch"- Zustand versetzt. Sie glauben, dass Magick so lange nicht funktionieren kann, wie der Magier bewusst wuenscht, dass die Operation gelinge. Um seine Wunsch zu bekommen, darf es nicht laenger sein Wunsch sein. Anders als die verschiedenen Traditionen der Zeremonialisten und Wiccans, die alle spezielle Methoden verwenden, einen Kreis zu ziehen, wobei jeder behauptet, sein Weg sei der einzig richtige - raten Wilde, Sherwin und der Circle of Chaos den Praktikern, ihren Kreis so zu ziehen, wie sie es wollen. Waehrend traditionelle Magier aller Ueber- zeugungen verlangen, dass Rituale zu bestimmten Zwecken mit den passen- den Dueften, Oelen und farbigen Kerzen ausgefuehrt werden muessen,schlaegt Wilde vor, die verwirrendsten Duefte und die farblich grellsten Kerzen zu benutzen, die man finden kann - fuer alle Rituale. Er schlaegt auch vor, verschiedene Tiere als die Waechter des Kreises zu visualisieren, statt des traditionellen Herren der Elemente. Sherwin schlaegt vor, entweder Ausserirdische, in passenden "B-Movie"-Kostuemen gekleidet, oder nackte Sexobjekte in den vier Wachtuermen zu visualisieren. Wilde, der glaubt, dass die Quelle der Macht innerhalb des Praktizierenden liegt, schlaegt vor, dass der Magier seien Zorn, seinen Hass, seine Traurigkeit, seinen Kummer, oder ganz besonders seine Lust erhebt - indem er nahelegt, vor dem Ritual entweder zu masturbieren, sich von jemandem befriedigen zu lassen, dabei vor dem Orgasmus zu stoppen, um die sexuelle Erloesung fuer den Hoehepunkt des Ritus zu bewahren. Er glaubt, dass Bittgebete an die Goetter spontan am Hoehepunkt des Rituals komponiert werden sollten. Sherwin, fuer seinen Teil, weist die Theorie zurueck, dass bestimmt Rituale zu bestimmten Zeiten getaetigt werden sollten, mit der Begruendung, dass nicht alle Leute von den Phasen des Mondes merklich beeinflusst werden, und dass die Tafeln, welche bestimmte Tage und Stunden bestimmten Planeten zuordnen, vor der Entdeckung des Neptun, Uranus und Pluto aufgezeichnet wurden, und daher ungueltig sind. Die beste Zeit, ein Ritual auszu- fuehren, ist, wenn die Notwendigkeit und die Gelegenheit sich selbst praesentiert. Die Goetter des Chaos: Da Chaos Praktiker ihre Goetter als Projektionen ihrer eigenen Minds betrachten, ist ihre Haltung ihnen gegenueber eklektisch und - so wuerden orthodoxe Magier sagen - respektlos. Wilde's Grimoire listet ein Potpourri von Goettlichkeiten aus einem Mischmasch von Pantheons. Er sagt, dass man Goetter von den Worten von Schriftstellern, wie Tolkien, adaptieren kann, und bemerkt des weiteren, dass jeder Gott, der nicht ein Minimum an Dienstbarkeit zur Verfuegung stellt, vergessen werden sollte. Im Allgemeinen bevorzugen es Chaos Praktiker, sich auf kuerzlich wiederentdeckte oder neu erschaffene Gottheiten zu konzentrieren. Unter den Wiederentdeckten sind einige der Favoriten Baphomet, ein androgyner, gehoernter Gott, der im 12ten Jahrhundert von den Tempelrittern als kabbalistisches Symbol verwendet wurde, ueber den im 19ten Jahrhundert von Eliphas Levi geschrieben wurde, und der von Wilde als die Totalsumme der universalen Kraefte und die Personifikation des aktiven Chaos betrachtet wird. Eine weitere Favoritin ist Eris, Goettin des Diskord, eine lang-vergessene griechische Gottheit, welche (in Hesiod's "Theogenie") als die wildere, weibliche Haelfte von Eros, dem Gott der Liebe, erachtet wurde. Fuer die alten Griechen beinhalteten Eros und Eris zusammen eine androgyne Aphrodite. Der Kreis des Chaos erweist dem Thataneros seine Ehre - eine Gottheit, erschaffen von thessalonius Loyola - der die freudschen Grundsaetze von Sex und Tod repraesentiert. Wilde hat K'atas erschaffen - einen weisen alten Orientalen mit gruenen Augen, der als ruhiger Fuehrer durch den chaotischen Sturm fungiert. Wenn man die Chaostheorie zu ihrem weitesten Extrem treibt, kann man sagen, dass ein Comic-Buch-Held, wie Superman, der beste Beschuetzer fuer jemanden sein koennte, der keine Beziehung zu so klassischen Kriegsgoettern, wie Mars, herstellen kann. Magische Arbeiten: Anders als Wilde, der nichts Neues zu den Techniken der praktischen Magick hinzuzufuegen hat - er schlaegt vor, sich traditionelle Zauberspruch- und Kerzenverbrennungs-Buecher zu kaufen, und ihre Lehren an seine Beduerfnisse anzupassen, haben Sherwins Experimente ihn zu einigen interessanten Innovationen gefuehrt. Wie um einen Splitter durch Spare's Koerper zu treiben, beharrt Sherwin darauf, dass Sigillen am besten durch weitschweifende Rituale zu visualisieren seien. Die Arbeit von Spare jedoch einen Schritt weiterfuehrend, glaubt Sherwin, dass man bestimmte Laute aus dem Satz, welchen man sigillisiert hat, herausziehen sollte, und sie dann wie eine Art Nonsense-Mantra intoniert, waehrend man ueber die Sigille meditiert. Wie wir sehen koennen, vereinen und trennen sich die Praktiker der Chaos Magick untereinander durch ihre Betonung des Experimentes und der individuellen Erfahrung. Chaos Magick ist keine neue oder andere Art von Magick. Es ist ein Satz von Arbeitsgrundsaetzen - einige neu, einige altertuemlich, - welche der individuelle Praktiker kreativ, passend zu seinen Beduerfnissen, neu interpretieren kann. Was fuer einen Effekt so eine verpersoenlichte Herangehensweise auf den amerikanischen Okkultismus haben wird, ist schwer zu sagen. Wer kann das Chaos vorhersagen? Es mag dem amerikanischen Individualismus zusagen. Es koennte eine nuetzliche Bruecke zwischen oestlichem und westlichem Okkultismus bewirken - eine Verbindung, welche in der Vergangenheit von der kriecherischen Suche des liberalen weissen Mannes nach dem exotisch-wilden sabotiert wurde - von der atavistischen Unfaehigkeit des konservativen weissen Mannes, jemandes Weisheit zu akzeptieren, der ihn nicht aehnelt oder seine Technologie besitzt, und vom Minderwertigkeitskomplex, welcher asiatische Lehrer dazu bringt, Westler als reiche Zurueckgebliebene zu behandeln. Schlimmstenfalls, koennte es nur noch ein weiterer Slogan sein, von mohawk-koepfigen Schwachkoepfen, die zu dumm sind, um das wahre Chaos innerhalb der Ordnung des taeglichen Lebens zu sehen, und das Chaos invozieren, indem sie Bierflaschen auf dem Gehweg zerbrechen, und sich in anderer Leute Durchgaengen erbrechen. Egal, selbst diese eklige Moeglichkeit ist tolerabel, wenn nur die Chaos Magick die maennerhassenden grossen Worte der maxi-matriarchalen Wiccans zum verstummen bringt, und die Not wendigkeit beendet, altertuemliche Traditionen authentizitieren zu muessen, die am Tage vor Morgen von ethnisch gesinnten Hexen erschaffen wurden, und die endlose Diskussion beendet, in welcher rivalisierende okkulte Partien verwickelt sind, darueber, wieviele Ebenen die Realitaet hat, und welches das eine echte Farbschema ist, mit dem man Magick bewirken kann - all dieses dominiert zur Zeit den amerikanischen Okkultismus. Wenn die Chaos Magick den amerikanischen Zeremonialisten davon abhalten koennte, die Zehen von ihren Aleister Crowley Statuen zu lecken...doch vielleicht ist es etwas zuviel, sich ein paar dieser Dinge zu wuenschen. Macht nichts. Was auch immer daraus werden soll, die Briten erobern uns wiederum. Dieses Mal steht auf ihren Bannern:

CHAOS KONTROLLIERT

Originaltitel:
An Introduction to Chaos Magick, by Adrian Savage, 1988, Magickal
Childe Inc.,N.Y., Uebertragen ins Deutsche von Sebastian Neitsch.

 

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